Fachgespräch Schnittstelle Jugendhilfe Schule

Bericht zum Austausch am 25. Juni 2022

Ein an den Bedürfnissen von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien ausgerichtetes umfassendes Konzept von Bildung, Betreuung und Erziehung erfordert eine systematisierte, rechtlich verbindliche und partnerschaftliche Zusammenarbeit der unterschiedlichen Institutionen Schule, Jugendhilfe und ggfs. auch Eingliederungshilfe. Es braucht eine zeitgemäße Kooperationskultur mit fest vereinbarten Strukturen und Standards, um die Qualität der pädagogischen Arbeit im Sinne gemeinsamer Zielsetzungen entwickeln zu können.

Da diese wichtigen Voraussetzungen bislang oftmals noch nicht gegeben sind, hat die Hauptversammlung des vds 2021 den Bundesvorstand beauftragt, sich bei den zuständigen Ministerien der Länder und des Bundes sowie bei der Kultus- und Sozialministerkonferenz (KMK und ASMK) dafür einzusetzen, einen Dialog zu Qualität, Ausgestaltung und Professionalisierung von Teilhabeassistenz und zur Realisierung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG im SGB VIII) zu führen.

Der Start eines dazu notwendigen Dialogprozesses erfolgte über das Fachgespräch am 25. Juni 2022 zur Thematik Schnittstelle Jugendhilfe – Schule. Teilnehmende der virtuell geführten Diskussion waren neben Vertreterinnen und Vertretern aus den vds-Landesverbänden, Bundesreferaten und dem Bundesvorstand Gabriela Lohmüller, Sonderpädagogisches Förderzentrum (SFZ) Landshut-Stadt, Michael Börgel, Stadtjugendamt (SJA) Landshut sowie Klaus Wicher vom Sozialverband Deutschland (SoVD).

Bereits während der Vorstellungsrunde, die mit Ausführungen eigener Erfahrungen aus den jeweiligen Tätigkeitsfeldern einherging, gab es zahlreiche inhaltliche Überschneidungen, die auf die Notwendigkeit eines ressortübergreifenden Dialogs hinwiesen. So wurden verbindliche Standards und Strukturen hinsichtlich einer verlässlichen Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe vermisst sowie die fehlende Eindeutigkeit von Zuständigkeiten kritisiert. Positiv hervorgehoben wurden Beispiele gelingender Kooperationen und kollegialen Miteinanders auf Augenhöhe. Insbesondere die seit Jahren gewachsene Zusammenarbeit des Sonderpädagogischen Förderzentrums Landshut-Stadt und des Stadtjugendamts Landshut mit der gemeinsamen Verantwortung für drei temporäre Lerngruppen zeichnet sich als ein Beispiel guter Praxis aus.

Dr. Angela Ehlers, vds Bundesvorsitzende, stellte in ihrem Input: „Qualität und Ausgestaltung von Teilhabe-Assistenz und zur Realisierung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes“ sowohl die zeitlichen als auch die inhaltlichen Entwicklungen im SGB VIII und dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) – das erst 2021 und somit vier Jahre verspätet in Kraft getreten ist – vor. Hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung des KJSG, wie z.B. der Einführung von Verfahrenslotsinnen und Verfahrenslotsen (geplant für 2024), der Verabschiedung eines Bundesgesetzes (2027) sowie der Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe (2028) bestehen noch viele Unklarheiten und Regelungslücken.

Auf dieser Grundlage basierend wurden im weiteren Verlauf des Fachgesprächs Ideen zum Auftragskorridor des vds und zur Fortsetzung des Dialogprozesses gesammelt und Zielperspektiven formuliert. So sollen Standards zu den Themenfeldern Prävention – Partizipation – Krisensituationen – Schnittstellen entwickelt und den Bundesländern (Jugendämter und Kultusministerien) zur länderspezifischen Bearbeitung bereitgestellt werden. Zudem sollten zukünftig unbedingt die Gesundheitsressorts einbezogen werden. Die Themenfelder Kooperation und Netzwerke sowie sozialräumliche Orientierung müssen um die Bereiche Berufsbilder/Berufsrollen sowie  Aus-, Fort- und Weiterbildungsangebote ergänzt werden. Diese Angebote könnten z.B. über Fortbildungen im Tandem erfolgen. Paritätische Finanzierungsstrukturen sind vor Ort zu entwickeln und umzusetzen.

Diese gewonnenen Ergebnisse werden vom Bundesvorstand aufbereitet, mit weiteren Inhalten gefüllt und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für eine weitere Verwendung in anderen Verbänden, Gremien und Diskussionsrunden zur Verfügung gestellt.

Zum Schluss des Gesprächs verwies Angela Ehlers noch auf einen im Zusammenhang mit der Schnittstelle Jugendhilfe – Schule hochbedeutsamen Sachverhalt: Allerorts wird ein eklatanter Mangel an Fachkräften aus unterschiedlichen Professionen beklagt. Es geht um Lehrkräfte der allgemeinen Schulen, um Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, sozialpädagogische und pflegerische Fachkräfte, Schulbegleitungen, therapeutisches und schulpsychologisches Personal – kurzum um alle Berufsgruppen in der lebenslangen inklusiven Bildung. Das Fehlen der personellen Ressourcen führt bereits jetzt zu massiven Defiziten in den schulischen Angeboten, die sich letztlich auf individuelle Teilhabe an Bildungsprozessen und damit auf die Gewährleistung des Menschenrechts auf Bildung auswirken.

Daher ruft der vds aktuell das Aktionsbündnis Fachkräftegewinnung ins Leben, um gemeinsam mit anderen Verbänden und Institutionen – wie schon beim Pakt für Inklusion – über Lösungswege und kreative Ideen nachzudenken sowie innovative Konzepte für die Akquise von Fachkräften für den Bildungsbereich zu entwickeln.

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