Statement des Verband Sonderpädagogik e.V. zur Stadtbild-Äußerung von Bundeskanzler Merz

Pressemitteilung, Würzburg 21.10.2025

Friedrich Merz hat sich am 15. Oktober 2025 in Potsdam und in Pressekonferenzen zu Migration und dem Erscheinungsbild in unseren Städten geäußert. Auf eine Frage zum Erstarken der AfD erklärte er, dass es trotz Fortschritten in der Migrationspolitik immer noch „im Stadtbild dieses Problem“ gebe.

Wir als Verband Sonderpädagogik e.V. haben ein anderes Verständnis von Gesellschaft. Wir

sehen keine „Stadtbilder“. Wir sehen Menschen, die in unserem Land zusammenleben.

Unser Verband steht für Inklusion, Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit.

Wir stehen für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sowie deren Familien, die in ihrer Vielfalt unsere Schulen – und damit auch unsere Städte – prägen.

Wir stehen für Lehrinnen und Lehrer, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen sowie Fachkräfte, die täglich dafür arbeiten, dass jeder Mensch gesehen, gefördert und respektiert wird.

Wir stehen für Eltern, die sich trotz aller Hürden für ihre Kinder einsetzen.

Und wir stehen für eine Demokratie, die auf Vielfalt, Respekt und Chancengleichheit baut – nicht auf Ressentiments und Ausgrenzung.

Wenn sich jemand am Stadtbild stört, müssen wir über Realität sprechen: über Schülerinnen und Schüler, die in schlecht ausgestatteten Schulen lernen, über Lehrkräfte, die jeden Tag Ungleichheit ausgleichen, und über Menschen, die gleich doppelt ausgeschlossen werden – durch Migrationserfahrungen und durch Teilhabeeinschränkungen.

Denn was uns wirklich stört, sind die Zustände, unter denen Bildung und Teilhabe derzeit stattfinden: marode Schulgebäude, fehlende Barrierefreiheit, Unterrichtsausfall, Fachkräftemangel, soziale Ungleichheit und Armut. Das sind die realen Probleme in unseren Städten – nicht die Menschen, die in ihnen leben.

Und wir fragen uns:

Was kommt als Nächstes?

Sind es dann Menschen mit Behinderungen, die im Stadtbild stören? Kinder und Jugendliche mit Unterstützungsbedarf, die nicht ins Bild passen?

Solche Vorstellungen widersprechen unserem Verständnis von Demokratie, Wertschätzung und Menschlichkeit und entsprechen nicht unserem Grundgesetz, das sehr klar ist. Die Würde des Menschen ist unantastbar und niemand darf wegen seiner Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung, Behinderung oder aus sonstigen Gründen benachteiligt werden.

Wir erwarten von den politisch Verantwortlichen, dass sie nicht spalten, sondern einen. Dass sie hinschauen, zuhören und endlich angemessen in Bildung investieren. Denn wer Bildung stärkt, stärkt unsere Demokratie.

Und wer über „das Stadtbild“ spricht, sollte sich darüber klar sein, dass Städte durch Menschenlebendig werden – durch ihre Unterschiede, ihre Geschichten und ihre Stärken.

Wir als Verband Sonderpädagogik e.V. sagen klar:

Wir haben kein Problem mit Vielfalt.

Wir haben ein Problem mit Diskriminierung, mit Ausgrenzung und mit einer Rhetorik, die Menschen zu Problemen erklärt.

Herr Bundeskanzler, stärken Sie unsere Demokratie, indem Sie immer wieder deutlich machen, dass alle Menschen dazugehören.