Wege aus Verhaltensfallen. Pädagogisches Handeln in schwierigen Situationen

Hehn-Oldiges, M. (2021)

Im Alltag von Schulen können Lehr- und Fachkräfte in schwierige Situationen mit Schülerinnen und Schülern geraten. Dies kann insbesondere bei Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen im Verhalten geschehen. Im vorliegenden Band stellt Martina Hehn-Oldiges Methoden vor, die es ermöglichen, Verhaltensfallen im Alltag der inklusiven Schule zu erkennen, zu analysieren und adäquat begegnen zu können. Es ist Ziel des Buchs zu vermitteln, wie Lehrkräfte gute pädagogische Beziehungen auch in schwierigen Situationen aufrechterhalten können. Hierbei dienen die Reckahner Reflexionen zur Ethik pädagogischer Beziehungen als Orientierung. Das Werk umfasst 176 Seiten und zwölf Anhänge sowie zusätzliche Online-Materialien, die zur Beratung und Fortbildung genutzt werden können.

Im Vorwort von Annedore Prengel wird auf die Bedeutung und die Schwierigkeit bei der Gestaltung genügend guter pädagogischer Beziehungen hingewiesen. Die
Einleitung des Buchs fokussiert die Gestaltung guter pädagogischer Beziehungen durch die Reflexion des Umgangs mit Kindern und Jugendlichen, die Veränderung des Blicks auf die Lernenden und die daraus resultierende lernförderliche Haltung. Der Einleitung der Autorin schließen sich fünf Kapitel an, die jeweils durch einen Problemaufriss und Instrumente zur Problemlösung gekennzeichnet sind. Im persönlichen Schlusswort reflektiert Martina Hehn-Oldiges, wie sich das Erkennen von Verhaltensfallen in ihrer beruflichen Biografie ausgewirkt hat.

Martina Hehn-Oldiges thematisiert im ersten Kapitel die Bedeutung der Beziehungsebene für das pädagogische Handeln. Sie zeigt auf, dass Personen den Beruf der Lehrerin oder des Lehrers wählen, da sie sich einen Bildungsauftrag verpflichtet fühlen, aber den Erziehungsauftrag oft zunächst nicht im Fokus haben. Bei emotionalen Belastungen erhöht sich die Gefahr, dass Lehrkräfte oder pädagogische Fachkräfte in Verhaltensfallen geraten, die zu nicht professionellem Handeln führen können. Hierzu werden Beispiele vorgestellt und analysiert. Am Ende des Kapitels wird die Bedeutung einer Ethik für pädagogische Beziehungen erarbeitet. Hierbei greift sie die Reckahner Reflexionen auf, die von Annedore Prengel bereits im Vorwort thematisiert werden.

Im zweiten Kapitel fokussiert die Autorin die ethisch begründete Rahmung für pädagogisches Handeln. Sie stellt verschiedene pädagogische Konzepte vor, die sich einer ethisch orientierten Pädagogik verpflichtet fühlen. Zahlreiche Beispiele, wie ethisch orientiertes pädagogisches Handeln konkret umgesetzt werden kann, runden das Kapitel ab. Das dritte Kapitel stellt das Verstehen von Verhalten und das Analysieren schwieriger Situationen in den Mittelpunkt. Martina Hehn-Oldiges präsentiert
verschiedene Methoden und Instrumente, um Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften den subjektiven Sinn von herausfordernden Verhaltensweisen verstehbar zu machen.

Im vierten Kapitel skizziert Martina Hehn-Oldiges die Entwicklung sozio-emotionaler Fähigkeiten und führt mögliche Einflüsse durch Beeinträchtigungen in der geistigen Entwicklung sowie im Autismus-Spektrum oder durch Traumata usw. aus. Das Verstehen von herausfordernden Verhalten in Schule durch besondere Bedarfe führt zur Anpassung pädagogischen Handelns. Dieses wird jeweils beispielhaft ausgeführt. Im fünften Kapitel wird von der Autorin ein Leitfaden für strukturierte Analysen und
Fachgespräche zur „Sozio-Emotionalität“ vorgestellt, der der Komplexität des Themas Verhaltensfallen gerecht wird und ein wichtiges Instrument für Beraterinnen und Berater sowie für Teamgespräche in inklusiven Schulen darstellt, um Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften einen Weg zur Gestaltung Halt gebender pädagogischer Beziehungen auch bei besonderen Bedarfen zu ermöglichen. Das hier vorgestellte Buch stellt einen wichtigen Beitrag zur Förderung der Gesundheit von Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften in der inklusiven Schule wie in Förderschulen dar. Die konkreten Beispiele für ethisch orientierte pädagogische Maßnahmen können dazu beitragen, Lernende vor Beschämung und Verletzung zu schützen. Das Werk eignet sich hervorragend für Sonderpädagoginnen bzw. -pädagogen sowie Schulpsychologinnen und -psychologen, die beratend in inklusiven Schulen oder Förderschulen tätig sind. Die szenischen Fallbeispiele und konkreten Handlungsvorschläge für die Beratung und Schulentwicklung, die Martina Hehn-Oldiges in mehreren Jahrzehnten Berufserfahrung sammeln konnte, sind wegweisend für Pädagoginnen und Pädagogen an inklusiven Lernorten. Das Buch stellt ein Grundlagenwerk für alle dar, die Beratungsaufgaben in inklusiven Schulen ausüben.

Ulrike Becker